Du stehst vor einer Ansammlung an Menschen, die extra gekommen sind, um Dich und Deine Präsentation zu sehen. Alle Blicke sind auf Dich gerichtet und die Masse ist gespannt. Wie schaust Du aus? Funktioniert die Technik? Hast Du das auch richtig dargestellt? Völlig nachvollziehbar, dass bei all den möglichen Bewertungen sich oftmals ein starker innerer Druck aufbaut. Bei einem Webinar kommt hinzu, dass Dir das visuelle Feedback deines Publikums fehlt. Da kann die eigene Aufregung ziemlich ansteigen. Dieser Artikel soll Dir helfen zu verstehen, was in solchen Momenten mit Dir los und wie du in sechs Schritten erfolgreich mit Deiner Anspannung umgehen kannst.
Warum die Aufregung vor einem Webinar evolutionär sinnvoll ist
Gerade wenn Menschen unsicher werden, suchen sie Rückhalt und Schutz in Gruppen. Diese Strategie der Herde sichert seit Millionen von Jahren unser Überleben. Doch als viele Menschen zusammenkamen brauchte es Regeln und eine einfache Form der Kommunikation um das Zusammenleben besser zu organisieren. Aus diesem Grund entwickelte unser Gehirn einen Mechanismus, der das Zusammenleben und die Kommunikation in einer Gruppe erleichtern soll: die sekundären Gefühle - Scham und Schuld.
Scham und Schuld helfen uns als soziale Gefühle dabei ein nicht akzeptiertes Fehlverhalten einzustellen (Schuld) oder den Ausschluss von einer Gruppe zu vermeiden (Scham). Die ausgelöste Verhaltenskorrektur hilft uns noch heute unsere soziale Rolle zu erfüllen und im gesellschaftlichen Geschehen integriert zu bleiben. Doch gerade beim Präsentieren, wo wir zwangsläufig aus einer Gruppe herausstechen müssen, haben diese sekundären Gefühle auch ungünstige Nebeneffekte und werden von einer dahinter liegenden Bewertungsangst als primäre Emotion beeinflusst.
Der moderne Säbelzahntiger
Die Ursache für die Entstehung dieser Ängste und daraus resultierenden körperlichen Reaktionen sind automatisch ablaufende Bewertungen in unserem Gehirn, sogenannte Kognitionen. Diese resultieren aus all den bisher gemachten Erfahrungen, erlernten Regeln oder kulturellen Normen, die wir im Laufe unseres Lebens verinnerlicht haben. Oftmals werden automatisch alte Erinnerungen und Verhaltensweisen (sog. Schemata) aktiviert. Diese zielen darauf ab unser soziales Ansehen und somit unser Überleben zu sichern. - Soziale Bewertungen sind der moderne Säbelzahntiger!
In einem angestoßenen Angstkreislauf kann ein bevorstehendes Webinar somit eine stärkere Wahrnehmung auf bedrohliche Reize auslösen. Als Folge ist Dein Fokus stärker auf Dich selbst sowie auf Deine Mimik, Aussprache und Gestik konzentriert. In Deinem Gehirn werden weiterhin bestehende Glaubenssätze aktiviert (z.B. „Ich darf mir keine Fehler erlauben.“ / „Ich bin sehe komisch aus.“), welche Dich Dein Auftreten kritischer bewerten lassen („Hilfe, die finden meine Präsentation schlecht!“). Diese bedrohliche Bewertung Deiner Gedanken löst somit Angst als Gefühl aus. Die interpretierte Gefahr aktiviert das vegetative Nervensystem (sog. Sympathikus) und stellt körperliche Reaktionen wie Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Schwindel und Erröten her. Diese natürliche Reaktion soll evolutionär eine mögliche Angriffs- oder Fluchtreaktion vorbereiten. Die körperlichen Signale verstärken wiederum den Fokus Deiner Wahrnehmung auf Dich selbst, was eine neue selbstkritische Bewertungskette auslöst - Ein Teufelskreis beginnt.
Raus aus dem Angstkreislauf
Um einen Ausweg aus Deiner Nervosität zu finden kann ein kleines Gedankenexperiment helfen:
„Was wäre, wenn Dein Webinar eine Situation wäre, auf die Du Dich freust? Du kennst Dein Thema sehr gut und darfst dieses Wissen mit der Audienz teilen. Außerdem hat sich das Publikum genau dafür angemeldet, um von Deiner Expertise zu profitieren und ihren Alltag damit zu bereichern. Du kannst also etwas sehr Wertvolles mitgeben.“
Was macht dieser Gedanke mit Dir? Was verändert sich in Deinem Körper? Welche Gefühle entstehen gerade in Dir? - Gib Dir einen Moment Zeit den Gedanken wirken zu lassen und wahrzunehmen, was sich bei dieser Vorstellung in Dir verändert.
Oftmals fühlen Menschen sich erleichtert und freier, wenn Sie diesen alternativen Gedanken benutzen. Auch wenn sich das erstmal neuartig und seltsam anfühlt und eine Stimme in dir gerade kritisch gegen den neuen Gedanken argumentiert - auch dieses ist eine mögliche Bewertung der Situation. Wer weiß schon genau, was die anderen von Dir denken? Da ist viel Raum für Spekulationen und falsche Hypothesen. Worüber wir aber sicher sein können ist, dass Ängste durch unsere persönliche Bewertung von Reizen entstehen. Und wenn Du dem Webinar eine positive Bedeutung gibst, kannst Du somit auch Dein Gefühl verändern.
Was macht dieser Gedanke mit Dir? Was verändert sich in Deinem Körper? Welche Gefühle entstehen gerade in Dir? - Gib Dir einen Moment Zeit den Gedanken wirken zu lassen und wahrzunehmen, was sich bei dieser Vorstellung in Dir verändert.
Sechs psychologische Tipps für Dein Webinar
Es gibt viele Möglichkeiten mit seiner Nervosität oder Angst umzugehen und jede*r von uns benötigt unterschiedliche Herangehensweisen. Im folgenden findest Du fünf erprobte Techniken, die bei einem Webinar bei aufkommenden Sorgen und hoher Nervosität eingesetzt werden:
1. Körper - Entspannung durch Atmung:
Wenn alles den Bach heruntergeht, ist Deine Atmung stets bei Dir. Sie wird Dich in jeder Situation begleiten und ist das erste Hilfsmittel der Wahl, um die eigene Anspannung zu reduzieren. Konzentriere Dich hierzu auf deinem Atem, lasse ihn unverändert und nehme das Ein- und Ausatmen einfach wahr. - Ein und Aus… Ein und Aus… - Versuche Dich vor Deinem Vortrag und auch währenddessen ausschließlich auf diese Atmungswellen zu fokussieren. - Ein und Aus… Ein und Aus… - Sollten Dich Deine Gedanken abbringen, nehme dieses einfach wahr, das passiert, und komme wieder auf Deine Atmung zurück.
2. Kognitive Defusion - Du bist nicht Dein Gedanke!:
Unser Gehirn produziert permanent Gedanken und bewertet Situationen. Wir sind wahre Denkfabriken. Nur hat es ein Problem: Es kann die Realität von der gedanklichen Fiktion nicht unterscheiden. Daher weinen wir z.B. auch bei tragischen Filmszenen. Doch etwas Abstand zu den eigenen Gedanken hilft. Nehme daher Deine Gedanken zunächst wahr, aber bewerte sie nicht. Versuche Sie eher als Wolken am Himmel zu verstehen, die kommen und vorbeiziehen. Weiterhin kannst du Dich auch Fragen, ob es wirklich so nützlich ist, sich gerade mit der Selbstbewertung auseinanderzusetzen. Wenn die Antwort nein ist, dann nehme etwas anderes in den Fokus.
3. Wahrnehmung - Verschiebe den Fokus:
Wenn wir in sozialen Situationen nervös sind, fokussieren wir uns oftmals verstärkt auf die eigenen Körpersignale, die den Verlauf unserer Nervosität reduzieren sollen. Das ist ein ganz normales Problemlöseverhalten nach dem Motto: „Finde den Fehler.“ Unsere Wahrnehmung ist eingeengt. Als Folge nehmen wir uns zunehmend als problematisch wahr, was kontraproduktiv unsere Nervosität steigert. Versuche daher den Fokus Deiner Wahrnehmung zu verschieben und bewusst auf andere Dinge zu achten. Vielleicht organisierst Du sogar ein vertrautes Live-Publikum, welches Du hinter die Kamera setzt und auf die Du Deinen Fokus richtest.
4. Dein Wissensvorsprung:
Nun kommt Deine Geheimwaffe ins Spiel. Du bist der*die Expert*In für Dein Thema! Sozialpsychologischen Erkenntnisse zufolge wird Dir als Vortragende*r somit eine gewisse Rolle zugeschrieben. Dieser Expert*Innenstatus hat den Vorteil, dass Dir automatisch ein Vertrauensvorschuss geschenkt wird und das Publikum zum Anfang mehr dazu tendiert, Deinen Aussagen zu vertrauen. Heimspiel!
5. Akzeptanz - Fehler geschehen:
In einem Webinar kann trotz optimaler Planung immer irgendetwas schief gehen, sei es ein technisches oder menschliches Problem. Das gehört zum professionellen Leben dazu und man lernt daraus. Studien belegen sogar, dass Menschen mit Fehlern oftmals als näher und sympathischer wahrgenommen werden. Daher lautet die Empfehlung: einfach weitermachen! Das Ereignis wird vom Publikum wahrscheinlich kaum bemerkt werden und wenn doch, welche Vorteile bringt es Dir Dich während des Vortrages auf Deine Fehler zu konzentrieren?
6. Teile die Verantwortung auf:
Als Präsentator*In musst Du nicht alles in Deiner Hand behalten. Schaffe Dir etwas Raum und gebe die Verantwortung ab. Wenn Die Technik nicht funktionieren sollte, finde zuvor eine*n Teamkolleg*In oder Profi, der*die sich um das Wiederherstellen der Verbindung kümmert. Und lasse auch Dein Publikum das Webinar mitgestalten und gebe etwas Verantwortung ab. Bitte Sie zu Anfang Ihre Wünsche und Fragen Dir direkt über den Chat zu kommunizieren. So erhält Du ein regelmäßiges Feedback und kannst dann gezielter darauf eingehen. Es geht nichts verloren und am Ende sind alle zufriedener.
Im Endeffekt hast Du alles, was Du für ein erfolgreiches Webinar brauchst, bereits in Dir. Nutze das Wissen um Deine Nervösität sowie diese sechs Punkte, um etwas mehr Ruhe für Dich zu generieren. Ich hoffe Du könntest etwas für Dich aus diesem Artikel mitnehmen und wünsche Dir nun viel Spaß bei Deiner Präsentation!